Stoffrecht: Chemikalienrecht & Biozidrecht

 

A. Rechtstexte (Stand: 01.05.2020)

 

  • EG-Verordnung 1907/2006 vom 18.12.2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe, konsolidierte aktuelle Fassung (REACH-VO)

  • EG Verordnung 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-VO), konsolidierte aktuelle Fassung

  • EU Verordnung 528/2012 vom 22.05.2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (Biozid-VO), konsolidierte aktuelle Fassung: sowie die Delegierte VO 1062/2014 (Arbeitsprogramm für die Biozid-VO) konsolidierte aktuelle Fassung

    • vgl. auch den Vorgänger der Biozid-VO: die EG-Richtlinie 98/8 vom 16.02.1998 über das in Verkehr bringen von Biozid-Produkten (Biozid-RL), konsolidierte Fassung von 2013
      und die VO 2032/2003 über die zweite Phase des Zehn-Jahres-Programms ; vgl. auch das Manual of Decisions for Implementation of EC Directive 98/8 (Manual of Decisions)

  • Chemikaliengesetz (ChemG) in der Fassung der Bekanntmachung von 2013, zuletzt geändert 2017

  • sowie Verordnungen unter dem ChemG: Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom 26.11.2010, zuletzt geändert 2017; Chemikalienverbots-VO vom 20.11.2017, Biozid-Melde-VO vom 24.06.2011, Biozid-Zulassungs-VO vom 24.07.2002 und Chemikalien-Sanktionsverordnung von 2013, zuletzt geändert 2017 http://www.gesetze-im-internet.de/chemsanktionsv/ChemSanktionsV.pdf 

Und zur Einführung:

B. Hinweise

Mit der zum 1. Juni 2007 in Kraft getretenen REACH-VO ist das bis dahin geltende Chemikalienrecht revolutioniert worden: Während vorher der Staat die Gefährlichkeit einzelner Substanzen für belastende Maßnahmen nachweisen musste, ist diese Beweislast nun umgekehrt der Wirtschaft auferlegt worden: Für Hersteller von „Stoffen“, „Zubereitungen“ oder „Erzeugnissen“ in der EG und für Personen/Unternehmen, welche diese in die EG importieren, könnten ab 2. Dezember 2008 Vermarktungsverbote eingetreten sein, wenn die Vorregistrierung (oder Registrierung) nicht beachtet wurde.

Vergleichbare Registrierpflichten treffen nicht die nachgeschalteten Anwender, wenn sie feststellen, dass der von ihnen geplante Verwendungszweck nicht entsprechend registriert worden ist: Stattdessen haben sie das Recht, ihren Lieferanten ihre Verwendungen mitzuteilen, so dass diese zu „identifizierten Verwendungen“ im Registrier-Dossier werden und als Expositions-Szenario im Sicherheitsdatenblatt aufgenommen werden (vgl. Art.37 REACH-VO).

Die wesentlichen Pflichten sind folgende:

  • Die wesentlichen Pflichten sind folgende:Ein Hersteller oder Importeur, der einen Stoff als solchen oder in Zubereitungen in einer Menge von mindestens 1 Tonne/Jahr herstellt oder einführt, hat dies bei der Europäischen Chemikalienagentur (EChA) in Helsinki registrieren zu lassen (vgl. Art.6 Abs.1 REACH-VO).

  • Sofern dies in einer Menge von mindestens 10 Tonnen/Jahr geschieht, muss der Hersteller bzw. Importeur zusätzlich eine intensive Bewertung durchführen, indem er einen Stoffsicherheitsbericht erstellt und bei der EChA einreicht, welcher u. U. Expositionsbeurteilung, Risikobeschreibung und Risikominderungsmaßnahmen enthalten muss (vgl. Art.14 REACH-VO). Im Rahmen ihrer Bewertung wird die EChA prüfen, ob diese Berichte den Anforderungen der Anlage I entsprechen.

  • Für besonders gefährliche – und in Anhang XIV aufzunehmende – Stoffe (sog. SVHC Stoffe: Substances of Very High Concern) gilt, unabhängig von der Menge: Ein Hersteller, Importeur oder nachgeschalteter Anwender darf einen solchen Stoff nach Anhang XIV „nicht zur Verwendung in Verkehr bringen und nicht selbst verwenden“, es sei denn, die Verwendung bzw. das in Verkehr bringen dieses Stoffes wurde zugelassen oder Anhang XIV hat insoweit eine Freistellung erklärt (Art.56 REACH-VO). Es handelt sich bei Stoffen nach Anhang XIV um Stoffe, die

    • krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend -englisch abgekürzt: CMR - sind, oder:

    • persistent, bioakkumulierend und toxisch – englisch abgekürzt PBT - (vgl. Anhang XIII REACH-VO) sind, oder:

    • sehr persistent und sehr bioakkumulierend – englisch abgekürzt: vPvB -sind (vgl. Anhang XIII REACH-VO), oder:

    • nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit oder Umwelt haben.

Ein nicht in der EU ansässiger Hersteller von Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, die in die EU eingeführt werden, muss für diese Pflichten einen Alleinvertreter bestellen, etwa indem er mit diesem einen Alleinvertretungsvertrag schließt (vgl. Art. 8 REACH-VO).

Den nachgeschalteten Anwendern (NA), also solchen Unternehmen, die solche Stoffe oder Zubereitungen nutzen – z. B. Farb- oder Lackierbetriebe - , wird geraten, sehr früh ihre Hinweisrechte gegenüber den Herstellern und Importeuren wahrzunehmen, damit die NA ihr Risiko minimieren, dass sie selbst Informationen bzw. Stoffsicherheitsberichte für ihre nicht-registrierten Verwendungen nachreichen müssen; am besten ist, wenn die NA den Hersteller/Importeur bei der Registrierung unterstützen.

Anwendungsbereich: Von REACH erfasst werden grundsätzlich alle auf dem Markt vorhandenen Chemikalien („Stoffe“) und ihre Zubereitungen, sowie eingeschränkt auch Erzeugnisse, bei denen Chemikalien einen wesentlichen Einfluss haben. Für den Produzenten oder Importeur solcher Erzeugnisse gilt jedoch nur dann eine Registrierungspflicht, wenn die Chemikalie „unter normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen“ freigesetzt wird (Art.7 Abs.1 REACH-VO). Demnach muss nicht jeder Produkte- oder Maschinenhersteller seine Erzeugnisse nach REACH registrieren lassen, allerdings besteht in der Praxis Streit über die Reichweite, welcher Produkthersteller nun registrieren muss und welcher nicht. Klar ist allerdings, dass Produkthersteller dann meldepflichtig sind, wenn das Produkt Chemikalien mit besonders gefährlichen Eigenschaften (CMR, PBT, vPvB) beinhaltet, diese in Mengen über 0,1% im Erzeugnis vorhanden sind und eine Jahresmenge von 1 Tonne/Jahr überschreiten (vgl. Art.7 Abs.2 REACH-VO), sofern nicht eine Exposition von Mensch oder Umwelt ganz ausgeschlossen werden kann.

Ganz oder weitgehend ausgenommen von der REACH- Anwendung sind folgende Stoffe (vgl. Art.2 REACH-VO):

  • alle radioaktiven Stoffe,

  • Stoffe, die außerhalb der EU hergestellt wurden und sich in der EU nur im Transit befinden,

  • nicht-isolierte Zwischenprodukte (vgl. Art.3 Nr.15 a REACH-VO),

  • die Beförderung von Gefahrgut, sowie weitgehend:

  • Abfall, es sei denn, dass dieser zu einem verwertbaren Stoff wird und damit seine Abfalleigenschaft verliert,

  • Stoffe zur Verwendung in Human- oder Tierarzneimitteln,

  • Stoffe zur Verwendung in Lebens- oder Futtermitteln (vor allem Lebensmittelzusatzstoffe, Aromastoffe, Zusatzstoffe/Stoffe für Tierernährung),

  • Stoffe zur Verwendung in Pflanzenschutzmitteln oder Biozid-Produkten (Art.15 REACH-VO). Die letzteren unterfallen zwar der REACH-VO, sie werden aber, soweit sie ihren jeweiligen Regelungen entsprechen, behandelt, als seien sie registriert worden.

Sofern diese Stoffe ursprünglich zu einem der in diesen Ausnahmen genannten Zwecken verwendet werden sollten, dann aber anderen Verwendungszwecken zugeführt werden, lebt die REACH- Anwendung wieder auf.

Diese Ausnahmen (z.B. für Lebensmittel) gelten nur dann, wenn die Stoffe unmittelbar dafür genutzt werden sollen, nicht aber dann, wenn es um chemische Vorprodukte geht, die später für Lebensmittel verwendet werden sollen.

auch hier kann ähnlicher Streit wie unter REACH bzgl. des exakten Anwendungsbereichs der Biozid-RL entstehen. Hinzu kommt, dass zwischen der Anwendung der Biozid-RL einer- und der anderer Stoff-Regelungen andererseits (REACH, Stoff-RL, Lebensmittel - insbesondere Lebensmittelhygiene -, Wasser – insbesondere Trinkwasser -, Gerätesicherheit, Pflanzenschutz etc.) Überschneidungen mit offenen Rechtsfragen liegen.

Zeitplan: Die Vorlage der vollständigen Dokumente für die Anhang I-Notifizierungen an den RMS muss zeitlich wie folgt geschehen (vgl. Anhang V zur EG-VO 2032/2003, Teil C und D):

  • bis 31. Juli 2007 für Wirkstoffe mit anerkannter Notifizierung in den Produktarten 1 bis 6 und 13,
  • bis 31. Oktober 2008 für Wirkstoffe mit anerkannter Notifizierung in den übri-gen Produktarten.

Zeitplan für Registrierung: Die Registrierungspflicht begann mit dem 2. Dezember 2008, sofern bis dahin keine Vorregistrierung erfolgt war. Diese nur für Altstoffe (sog. „Phase-in-Stoffe“, Art.3 Nr.20 REACH-VO) – dies sind v. a. Stoffe, die auf dem Markt seit 1981 vorhanden und im EINECS- Verzeichnis erfasst sind (etwa 100.000 Stoffe) – mögliche Vorregistrierung lief vom 01. Juni 2008 bis 01. Dezember 2008: Nur wer diese Vorregistrierung wahrgenommen hatte, gewann lange Übergangsfristen von 2, 5 oder 10 Jahren für die sehr aufwändige Registrierung, weil die Registrierung dann erforderlich war bis zum:

  • 01. Juni 2010: für CMR-Stoffe von mehr als 1 t/Jahr, für wassergefährdende Stoffe von mehr als 100 t/Jahr, und für sonstige Stoffe von mehr als 1.000 t/Jahr,

  • 01. Juni 2013: für sonstige Stoffe von mehr als 100 t/Jahr,

  • 01. Juni 2018: für sonstige Stoffe von mehr als 1 t/Jahr.

Wenn jedoch die Vorregistrierung vergessen wurde, ist stattdessen die Registrierung ab dem 02. Dezember 2008 erforderlich; und da die Registrierung sehr aufwändig ist, besteht dann ein Vermarktungsverbot bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Registrierung erfolgreich abgeschlossen ist! Vorregistrierte Stoffe mussten also bis 01.06.2018 registriert werden, um dieses Vermarktungsverbot zu vermeiden.

 

Aufwand und Folgen der REACH- Registrierung: Im Gegensatz zur Vorregistrierung ist der Aufwand für die Registrierung sehr hoch, weil u. a. Studien zu den physikalisch-chemischen, toxikologischen Eigenschaften und zur Ökotoxizität – abgestuft nach der Höhe der Herstellungsmenge (Anhänge VII, VIII, IX, X, XI der REACH-VO) – erforderlich sind. Zu den benötigen Informationen vgl. Anhänge VI und VII REACH-VO, sowie den BAuA Leitfaden A zur REACH Registrierung.

Gemeinsame Datennutzung: Um den hohen Aufwand von immer neuen Studien je einzelnem Registrant und immer neue Tierversuche zu vermeiden, sieht Art.11 OSOR („one substance, one registration“) eine Konsortialbildung vor: jeder neue Registrant soll sich grundsätzlich mit dem federführenden Registranten einigen, dass er auch auf dessen Studien zurückgreifen darf (Art.11 Abs.1 REACH-VO), wobei Art.11 Abs.3 hierfür Ausnahmen vorsieht. Sie können einen Letter of Access erwerben – hierdurch dürften die Kosten wesentlich geringer sein als bei der Einreichung eines eigenen Dossiers. OSOR kann nur deshalb in der Praxis greifen, weil alle diejenigen, welche die Vorregistrierung oder Registrierung für einen Stoff durchgeführt haben, mit anderen Herstellern und Importeuren dieses Stoffes ein SIEF (Forum zum Austausch von Stoffinformationen) bildeten (Art. 29 REACH-VO). Nach Ablauf der Registrierungsphase zum 31.05.2018 ist ein SIEF nicht mehr zwingend erforderlich; es bietet sich eine Zusammenarbeit auch nach diesem Datum zum Austausch der Daten weiterhin an, evtl. aber in informellerer Form. In der Praxis ist es daher wichtig, hier auf eine gute Vertragsgestaltung zum Informationsaustausch zu achten, um Fragen bzgl. Kartellrecht und Vertraulichkeit von Informationen (Geschäftsgeheimnisse) angemessen zu berücksichtigen. Dies sollten den EG-Gruppenfreistellungs-Verordnungen entsprechen; ein kartellwidriger Informationsaustausch sollte verboten und ein vertrauliches Know-how sollte genügend geschützt werden.

 

  1. Biozidrecht

 

Frühere Biozid-RL: Für das in Verkehr bringen der Biozid-Produkte galt mit der Biozid-RL ein weitgehend gleich strukturierter, ähnlich bürokratischer Regelungsmechanismus wie bei REACH: Zuerst ging es um das Identifizieren bzw. Notifizieren von Wirkstoffen, die voraussichtlich vermarktet werden sollen, während die anderen, an denen kein solches Interesse bestand, auf die Non Inclusion–List gesetzt wurden. Da anfangs noch weitgehend Kenntnisse über die Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit dieser Wirkstoffe fehlten, war im nächsten Schritt erforderlich, mit Vorlage entsprechender Studien jeden Wirkstoff an den von der EG-Kommission benannten Rapporteur Member State (RMS) zu notifizieren, mit dem Antrag, diesen Wirkstoff zu evaluieren als wirksam und zwar zulassungsbedürftig, aber ansonsten gesundheitlich unbedenklich und ihn dann auf Anhang I (oder unter erleichterten Bedingungen auf Anhang I A) der Biozid-RL zu setzen (Anhang I- Notifizierung). Die Kriterien für die maximal zehnjährige Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I, I A oder I B ergaben sich aus Art. 10 Biozid-RL. Erst nachdem diese Prüfung der EU / der RMS über die Aufnahme in Anhang I abgeschlossen war, griff in einem zweiten Schritt – geplant war dies für ca. ab 2010 (tatsächlich dauerte dies länger: für einige Stoffe hat die Kommission bis Ende 2024 Zeit) - die nationale Zulassungspflicht für Biozidprodukte ein, für welche in Deutschland die BAuA (Dortmunder Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) zuständig ist. Hierfür galten dann die Zulassungskriterien der Art. 5 bis Art.8 Biozid-RL.

 

Jetzige Biozid-VO: Entsprechend der Biozid-VO dürfen Biozid-Produkte nur Biozid-Wirkstoffe enthalten, die in einer Positiv-Liste (der EU Liste der genehmigten Biozid-Wirkstoffe) aufgeführt sind. Daher müssen Biozid-Wirkstoffe ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, bevor die Wirkstoffe in Biozid-Produkten verwendet werden dürfen.

Für die Vermarktungsfähigkeit eines Biozidproduktes ist entscheidend, dass der Hersteller oder Importeur die Voraussetzungen des Art.95 Biozid-VO erfüllt: Er muss ein Dossier für diesen Wirkstoff eingereicht oder eine Zugangsberechtigung zu einem solchen Dossier erhalten haben. Ausnahmsweise reicht auch die Bezugnahme auf ein Dossier, für das alle Datenschutzfristen abgelaufen sind. Ohne das Erfüllen der Voraussetzungen des Art.95 Biozid-VO besteht im Zweifel ein Vermarktungsverbot.

 

Anwendungsbereich: „Biozid-Produkte“ sind „Stoffe und Gemische in der Form, in der sie zum Verwender gelangen, und die aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, die dazu bestimmt sind, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen (…) zu bekämpfen“. Es werden 22 Produktarten unterschieden (vgl. Anhang V Biozid-VO):

  • Gruppe 1: Desinfektionsmittel und allgemeine Biozid-Produkte (Produktarten 1 bis 5 für: menschliche Hygiene, Oberflächen, inkl. Schwimmbäder/öffentliches Gesundheitswesen, Veterinärbereich, Lebens- und Futtermittel, Trinkwasser)
  • Gruppe 2: Schutzmittel (Produktarten 6 bis 13: Schutzmittel während der Lagerung, Beschichtungsschutzmittel, Holzschutzmittel, Schutzmittel für Fasern etc., Schutzmittel für Baumaterialien, Schleimbekämpfungsmittel, Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten)
  • Gruppe 3: Schädlingsbekämpfungsmittel (Produktarten 14 bis 20: Rodentizide, Avizide, Bekämpfungsmittel gegen Würmer, Fischbekämpfungsmittel, Insektizide, Repellentien, Produkte gegen sonstige Wirbeltiere),
  • Gruppe 4: Sonstige Biozidprodukte (Produktarten 21 bis 22: Antifouling-Produkte, Flüssigkeiten für Einbalsamierung etc.).

Ähnlich REACH wird vom Anwendungsbereich der Biozid-VO ein ganzer Katalog von Wirkstoffen ausgeschlossen (vgl. Art.2 Abs.2 Biozid-VO); u. a. ausgeschlossen von der Biozid-VO sind Wirkstoffe für folgende Verwendungen:

  • Human- und Tierarzneimittel (RL 2001/82, RL 2001/83 und VO 726/2004) sowie Fütterungsarzneimittel (RL 90/167),
  • Medizinprodukte (u.a. RL 90/385),
  • Lebensmittel-Hygiene (VO 852/2004 und 853/2004),
  • Lebensmittel-Zusatzstoffe (inkl. Aromen, VO 1333/2008),
  • Futtermittel (VO 767/2009) sowie Zusatzstoffe in Tiernahrung (VO 1831/2003),
  • Pflanzenschutzmittel (VO 1107/2009),
  • Kosmetika (VO 1223/2009) und
  • Spielzeug (RL 2009/48).

Auch hier kann ähnlicher Streit wie unter REACH bzgl. des exakten Anwendungsbereichs der Biozid-VO entstehen. Hinzu kommt, dass zwischen der Anwendung der Biozid-VO einer- und der anderer Stoff-Regelungen andererseits (REACH, CLP, Lebensmittel - insbesondere Lebensmittelhygiene -, Wasser – insbesondere Trinkwasser -, Gerätesicherheit, Pflanzenschutz etc.) Überschneidungen mit offenen Rechtsfragen liegen.

 

Zeitplan: Die Vorlage der vollständigen Dokumente für die Anhang I-Notifizierungen an den RMS musste zeitlich wie folgt geschehen (vgl. Anhang V zur EG-VO 2032/2003, Teil C und D):

  • bis 31. Juli 2007 für Wirkstoffe mit anerkannter Notifizierung in den Produktarten 1 bis 6 und 13,
  • bis 31. Oktober 2008 für Wirkstoffe mit anerkannter Notifizierung in den übrigen Produktarten.

Da davon auszugehen war, dass der RMS bzw. die EG- Kommission etwa 2 Jahre für die Vollständigkeitsprüfung und Auswertung dieser Studien benötigen würde, war ursprünglich damit zu rechnen, dass die Aufnahme in Anhang I ca. 2010 abgeschlossen ist; in Realität hat es meist länger gedauert, die Kommission hat Zeit bis spätestens Ende 2024 (vgl. Art. 89 Abs.1 Biozid-VO). Erst nach dieser EU Zulassung des Wirkstoffs entsteht ab diesem Datum besteht dann die nationale Zulassungspflicht für das Biozidprodukt, für welche dann die gleichen Dokumente vorzulegen sind wie für die Notifizierung unter Anhang I. Wer diesen Pflichten bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachkommt, muss mit einem Vermarktungsverbot rechnen.

Andere zeitliche Vermarkungsgrenzen:

  • Ab dem 01.09.2015 darf ein Biozidprodukt nicht mehr in der EU vertrieben werden, wenn es einen Alt-Wirkstoff enthält, für den kein Hersteller oder Importeur die Voraussetzungen des Art.95 Biozid-VO erfüllt.
  • Ab dem 01.09.2017 darf ein Biozidprodukt nicht mehr in der EU vertrieben werden, wenn es einen nicht unter die Biozid-RL, aber unter die Biozid-VO fallenden Wirkstoff enthält, der vor dem 01.09.2013 auf dem Markt erhältlich war, und wenn hierfür bis zum 01.09.2016 die Voraussetzungen des Art.95 Biozid-VO nicht erfüllt sind.
  • Für neue Wirkstoffe kann jederzeit ein Dossier eingereicht werden. Dies sind Wirkstoffe, die am 14.05.2000 nicht als Wirkstoff für ein Biozidprodukt (für andere Zwecke als wissenschaftliche oder produkt- und verfahrensorientierte F& E) im Verkehr waren.

 

Aufwand für ein Dossier für Genehmigung eines Wirkstoffes: Für ein solches Dossier müssen die Informationsanforderungen nach Anhang II der Biozid-VO eingereicht werden. Es handelt sich v.a. um folgende 13 Daten:

  • Angaben zum Antragsteller,
  • Eigenschaften und Merkmale des Wirkstoffes,
  • physikalische und chemische Eigenschaften des Wirkstoffes,
  • physikalische Gefahren und entsprechende Charakteristika,
  • Nachweis- und Bestimmungsmethoden,
  • Wirksamkeit gegen Zielorganismen,
  • Verwendungszwecke und Exposition,
  • toxikologisches Wirkungs-Spektrum (bzgl. Mensch/Tier und Metabolismus),
  • ökotoxikologische Untersuchungen,
  • Verbleib und Verhalten des Stoffs in der Umwelt,
  • Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch/Tier und Umwelt,
  • Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung,
  • Zusammenfassung und Bewertung.

Der Aufwand für diesen Genehmigungsantrag ist wegen der vorzulegenden Studien genauso hoch wie bei der REACH- Registrierung; allerdings entsteht dann kein hoher Aufwand mehr für die nationale Zulassung des Biozidprodukts. Vor der Einreichung des Dossiers sollte mit der EChA konsultiert werden, ob für diesen Wirkstoff schon Dossiers eingereicht worden sind. Falls ja, besteht im Zweifel die Notwendigkeit, die Studien gemeinsam zu nutzen durch Erwerb einer Zugangsberechtigung zu diesem Dossier (vgl. Art.61 und 62 Biozid-VO). Es kann Streit entstehen über die Frage, ob die Ausgleichszahlungen für die gemeinsame Datennutzung „gerecht, transparent und nicht-diskriminierend“ sind. Auch hier gilt wieder das OSOR – Prinzip, was erneut zu SIEF - ähnlichen Konsortien führt, wobei hier eine Entsprechung zur Ausnahme des Art.11 Abs.3 REACH-VO fehlt – hier ist daher noch unklarer, welche Rechtsposition ein neues Mitglied bei diesem Verband hat, insbesondere ob es einen Rechtsanspruch auf Nutzung der Tierstudien besitzt. Es stellen sich noch deutlicher die kartellrechtlichen Fragen, wie oben zu REACH genannt, welche durch gute vertragliche Regelungen gelöst werden müssen.

Nach Einreichung des Zulassungsantrags erfolgt eine Validierung des Antrags (grds. binnen 30 Tagen) und daran anschließend eine Bewertung des Antrags (binnen 365 Tagen). Daran anschließend erhält der Antragsteller noch die Möglichkeit einer Stellungnahme.

 

Nach Art.55 Biozid-VO können vorübergehend Ausnahmevorschriften vorgesehen werden (wegen Desinfektionsmittel in Corona-Zeiten: vgl. unsere Seite: Aktuelles zum Exportrecht: Aktuelles zum Corona Virus).

 

Zusätzliche Rechtsfragen nach dem ChemG: Da der Wortlaut des § 12 a ChemG nicht sehr klar ist, stellt sich die Frage, ob alleine das in Verkehr bringen von Biozdid- Produkten zulassungspflichtig ist, oder auch – zumindest ausnahmsweise – ihr Verwenden. Beide Auffassungen sind vertretbar, zumal die Überwachung (§ 21 ChemG) und behördliche Beschlagnahmen (§ 23 ChemG) sich auch gegen die Verwender nicht zugelassener Biozidprodukte richten können.

 

Zusätzlich ergibt sich aus der deutschen Biozid-Melde-VO die Pflicht für Hersteller und Einführer, für solche Biozid-Produkte, die Alt-Wirkstoffe beinhalten aber noch nicht auf Anhang I oder I A gelistet sind, diese jetzt schon an die BAuA zu melden. Solche Biozidprodukte dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn auf ihnen eine Registrier-Nummer aufgebracht ist.

 

 

3. CLP

 

Die CLP-VO (CLP = Classification and Labelling of Chemical Products) – Nachfolger der Stoff-RL 67/548 und der RL 1999/45 - regelt die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung der für Mensch oder Umwelt gefährlichen Stoffe und Zubereitungen, die in den Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden. „Gefährlich“ im Sinne der Stoff-RL sind Stoffe oder Zubereitungen dann, wenn sie eine der folgenden Eigenschaften aufweisen (Art.3 und Anhang I Teile 2 bis 5):

  • explosionsgefährlich,

  • entzündbar (von entzündbar bis extrem entzündbar) leicht entzündlich bis hochentzündlich oder brandfördernd),

  • giftig (von giftig bis akut toxisch),

  • gesundheitsschädlich,

  • ätzend, reizend oder sensibilisierend,

  • CMR (krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend) oder

  • umweltgefährlich.

Die CLP-VO gilt nicht für radioaktive Stoffe/Gemische, für Stoffe/Gemische unter zollamtlicher Überwachung, Abfälle, Human- und Tier-Arzneimittel, Kosmetika, Medizinprodukte, Lebens- und Futtermittel. Sie gilt aber für den Anwendungsbereich von REACH, so dass es hier zu Doppelregelungen (mit Art.112 und 113 REACH-VO) kommt; nach Art.5 CLP-VO soll die REACH- Kennzeichnung vor allem für registrierte Stoffe gelten. Die CLP-VO gilt auch für den Anwendungsbereich der Biozid-RL; auch dies führt zu Doppelregelungen – möglicherweise kann dies zu einer Vereinheitlichung der Kennzeichnungen von Chemikalien führen.

Nach Art.4 CLP-VO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, solche Stoffe oder Zubereitungen nur in Verkehr zu bringen, wenn diese den Anforderungen an Verpackung und Kennzeichnung nach Art.17 ff CLP-VO entsprechen; hierzu gehören u. a. die Gefahrensymbole (Anhang I) und die umfassenden Kennzeichnungs-Anforderungen nach Anhang VI.

Die CLP-VO und andere EG-Richtlinien zu gefährlichen Stoffen/Zubereitungen sind in Deutschland durch die GefStoffV umgesetzt worden. Sie enthält Vorschriften zu: Gefahrenklassen, Kennzeichnung, Verpackung und Sicherheitsdatenblatt (§§ 3 - 5), Gefährdungsbeurteilung (§§ 6 - 7), Schutzmaßnahmen (§§ 8 – 15), Verbote und Beschränkungen (§§ 16 – 17), Vollzugsregelungen (§§ 18 – 20), Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten (§§ 21 – 24) und detaillierte Vorschriften zu einzelnen Gefahrstoffen (Anhänge I – III).

Verstöße: Der Verstoß gegen solche Kennzeichnungsvorschriften und gegen das in Verkehr bringen ohne Zulassung (nach REACH und Biozid-VO) ist eine Ordnungswidrigkeit (vgl. § 26 ChemG und § 14 Chemikalien-Sanktionsverordnung). Hinzu kommen behördliche Anordnungen (Vermarktungsverbote, Beschlagnahmen etc.) nach § 21 a und § 23 ChemG.

 

 

 

 

Unser Beratungsangebot

 

  • Beratungen zu Auswirkungen von REACH, Biozid-VO und CLP-VO auf Ihr Unternehmen

  • Begutachtung, ob Ihre Stoffe und Produkte dem Anwendungsbereich von REACH, Biozid-VO oder CLP-VO unter fallen, durch Abgrenzung zu anderen Stoff- und Umweltregelungen und Beantwortung der Frage, ob eine von diesen parallel (also zusätzlich) zu beachten ist und was diese rechtliche Gemengelage aus mehreren Regelungen konkret für Ihr Unternehmen bedeutet

  • Begutachtung, ob Ihre Stoffe oder Produkte registrierungs- oder zulassungspflichtig sind nach REACH oder nach der Biozid-VO

  • Durchführung Ihrer Vorregistrierung bzw. Registrierung (REACH) oder Einreichen eines Dossiers (Biozid-VO) bzw. Beratung/Vertretung beim Erwerb einer Zugangsberechtigung hierzu und zur Frage einer gerechten Vergütung für diesen Letter of Access

  • Beratung von Produktherstellern, ob bzw. unter welchen Umständen diese registrierungs- bzw. meldepflichtig sind oder eine Biozid-Zulassung benötigen

  • Begutachtung, ob Sie als nachgeschalteter Anwender im Sinne von REACH anzusehen sind, und welche Handlungspflichten daraus entstehen können

  • Beratung von nachgeschalteten Anwendern bzgl. ihrer Informationsrechte an Hersteller & Importeure, sowie Unterstützung bzgl. ihrer Handlungspflichten (Informationspflichten an EChA, Erstellen eines Stoffsicherheitsberichts etc.)

  • Beratung bei Erstellung des Stoffsicherheitsberichts

  • Beratung zur Frage der Zulassungspflicht Ihrer Stoffe und Zubereitungen sowie zum sonstigen handling von besonders gefährlichen Stoffen nach sonstigem Gefahrstoffrecht

  • rechtlicher Vertreter bzw. Berater für Alleinvertreter von Herstellern außerhalb der EU, bzw. Übernahme der Alleinvertretung; Erstellen bzw. Prüfen des Alleinvertretungsvertrags

  • Beratung zur Mitarbeit im SIEF bzw. in einer informellen Zusammenarbeit, zur Absicherung der Vertraulichkeit Ihrer Informationen/Ihres Know-hows unter Beachtung der kartellrechtlichen Grenzen eines solchen Informationsaustauschs

  • Erstellen bzw. Überprüfen des (Konsortial-) Vertrags zur gemeinsamen Registrierung (OSOR), auch im Hinblick auf Vereinbarkeit mit Kartellrecht und dem angemessenen Schutz Ihres Know-hows

  • Übernahme der Meldepflichten an die BAuA

  • Rechtsmittel gegen EU-/EChA oder BAuA-Entscheidungen

  • Beratung und Antrag auf Zulassung für Ihre Biozidprodukte

  • Beratung zu Ihrem Zulassungsanspruch (1) bzgl. Zugang zu Studien und (2) bzgl. Zugang zu Daten, die gemeinsam genutzt werden sollen

  • Begutachten der Rechtsfragen, die sich aus der in situ – Herstellung von Biozid- Produkten ergeben

  • Begutachtung der Frage, ob und wenn ja: welche Verwendung eines Biozid- Produkts eine Zulassungspflicht auslöst

  • Beratung und Rechtsmittel gegen ein Vermarktungsverbot bzw. gegen Beschlagnahmen Ihrer Substanzen/Biozid-Produkte oder gegen sonstige Maßnahmen der Überwachung

  • Beratung zur Vermarktung Ihrer Stoffe, Zubereitungen, Biozidprodukte oder gefährlichen Stoffe, hinsichtlich Verpackungen und Kennzeichnungen, Herstellungs- und Verwendungsverboten, und des Umgangs mit Gefahrstoffen

  • Beratung zur internationalen Vermarktung Ihrer Stoffe, Zubereitungen, Biozid- Produkte etc: internationale Kennzeichnung, FDA-Zulassung in den USA, sowie: internationale Lieferverträge, internationales Handelsvertreterrecht, Export- und Zollrecht, Harmonisierung internationaler technischer Standards etc.

  • Beratung zur Risikominimierung beim Umgang vor allem mit gefährlichen Stoffen

  • Beratung und Vertretung in Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren, möglichst mit dem Ziel der Verfahrenseinstellung (ggfls. gegen Zahlung einer Auflage)

  • Ihr Ansprechpartner bzw. Vertreter für alle Behördenkontakte

  • Inhouse – Seminare zum Chemikalien-, Biozid- und Gefahrstoffrecht weltweit (in EU-Ländern, USA, Asien etc.)

 

 

 

 

 

 

 

 


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